Das Stammgleis II ist nicht nur in Bezug auf die Gleislänge der kürzeste Zweig des Industriegleises West. Auch seine Bestandsdauer war die kürzeste der 5 Zubringer. Mit dem Bau wurde zwar kurz nach dem Stammgleis I begonnen, aber schon Ende der 1950er Jahre waren als Folge des Baus einer neuen Fernwärmeleitung entlang der östlichen Magirusstraße alle Teile stillgelegt und abgebaut.
Bis zum 1.Weltkrieg waren die Nebenanschlüße dem Stammgleis I zugeordnet, erst danach wurde es zu einem eigenen Stammgleis.
Das Stammgleis II zweigt bei Km 0+560 vom Stammgleis I ab, kreuzt in der Söflinger Straße die Straßenbahngleise und endet vor der Kreuzung Magirusstraße/Sedanstraße.
Um Platz für eine Fernwärmeleitung zu schaffen wurde es Ende der 1950er Jahre abgerissen.
Der Abzweig des Stammgleises II vom ehem. Fabrikgleis erfolgt auf Höhe einer damals als Feldweg Nr. 87/1 bezeichneten Straße, die erst ca. 1936 zur Fichtestraße, der heutigen Einsteinstraße, ausgebaut wurde.
Das Bauunternehmen R.Vogel wollte die Grundstücke südlich des Feldwegs für einen Lagerplatz mit Gleisanschluß nutzen, bekam die Genehmigung für den Anschluß IIa) aber nur unter Vorbehalt, da die Stadt Behinderungen des Verkehrs durch die Querung der Fabrikgleis-Straße befürchtete. Mit dem Umbau der Fichtestraße zur wesentlich breiteren Einsteinstraße im Jahr 1953 liegt die Abzweigweiche zu Vogel nun mitten im Straßenraum. Vorschläge der Stadt, das Betriebsgelände über ein neues, nach Norden verlaufendes Gleis vom Anschluß der Fa. Dopfer aus zu bedienen, wird, obwohl dafür sog. "Sägezahnfahrten" nötig sind, von Vogel akzeptiert. Der Umbau erfolgt dann doch nicht ausgeführt, Vogel tauscht sein als Eisenlager und Biegeplatz genutztes Grundstück gegen Flächen im Donautal.
Das Nebengleis IIb) gehört zu den frühesten Anschlüssen am Fabrikgleis, es werden damit zwei Grundstücke erschlossen.
Im Juli 1907 schloß der Kolonialwarenhändler Otto Dopfer eine Benützungsvereinbarung über einen 60 Meter langen Gleisanschluss, der ein Jahr später um 30 Meter bis zur Getreidehandlung von E.F. Bühler verlängert wurde. 1919 zieht Bühler auf die gegenüber liegende Seite des Westgleises (Anschluß bei der UBG), Lagerhaus und Gleisanschluss gehen an den Göppinger Landmaschinenhändler W. Speiser über.
Nach dem 2.Weltkrieg sind die Gebäude und Gleise in diesem Bereich weitgehend zerstört. Beim Neuaufbau wird der Anschluß umgebaut, in das Lager von Dopfer zieht die Firma Seeberger. Für die Erweiterung des Kreuzungsbereichs Magirusstraße / Söflinger Straße Ende der 1950 Jahre werden Grundstücke von Speiser benötigt, die Firma zieht ins Donautal, der Gleisanschluß wird zusammen mit dem ganzen Stammgleis II aufgegeben.
Zweigeteilt ist die Geschichte des Nebenanschlußes IId), was auch der Grund dafür ist, dass er streckenmäßig vor dem Anschluß IIc) liegt.
Ende 1906 haben sich der Konstrukteur Anton Mattes und der Kaufmann Heinrich Würtz zusammengeschlossen um eine Fahrzeugfabrik zu gründen. Für diese wurde im Oktober 1907 ein Gleisanschluß an das Fabrikgleis, dem späteren Stammgleis I genehmigt. Diese Genehmigung wurde allerdings 1916 widerrufen und die Firma Mattes & Würtz aufgefordert, einen neuen Anschluß an das Stammgleis II herstellen zu lassen, der dann auch schon im Januar 1917 in Betrieb ging.
Mattes & Würtz stellte Transportgeräte und -fahrzeuge hauptsächlich für die Landwirtschaft her, später auch motorisierte Kleintransporter. Der Betrieb ging 1937 in Konkurs und wurde von den Fahrzeugwerken Karl Kässbohrer übernommen.
Die Gleisanlagen des Anschlusses IIc) für das Metallschmelzwerk Nathan Strauss, zu denen auch der Anschluß IVa) gehört, bilden die umfangreichsten Nebengleise am Westgleis.
Bereits beim Bau des Fabrikgleises war an dieser Stelle ein Anschluß für die Baufirma Reh & Co. aus Berlin angelegt worden. 1910 wird dem Metallhandel Nathan Strauß, der nördlich von Reh einen Lagerplatz erworben hat, die Mitbenutzung des Anschlusses gestattet. Während Reh sich in den Folgejahren vom Ulmer Geschäft immer mehr zurück zieht expandiert Strauß, beginnt schon 1914 mit dem Bau einer Drehscheibe im Zweiggleis, ohne dass eine Genehmigung vorliegt, und vervollständigt die Anlage bis nach dem 1.Weltkrieg mit zwei weiteren Drehscheiben, zwei Gleiswaagen, einer Spillanlage und einem Anschluß an das Stammgleis IV.
1939 wird auch das florierende Metallschmelzwerk N.Strauß ein Opfer der Arisierungswelle, der Betrieb wird von einer neu gegründeten Firma Neubronner & Sellin übernommen. Die Gebr. Neubronner kannte man bis dahin nur als Blumenbinderei am Münsterplatz.
Neubronner & Sellin übersteht den 2. Weltkrieg und die ersten Nachkriegsjahre, geht 1957 über in die Metallschmelzwerk Ulm GmbH (MSU) und zieht ins Donautal. Die Gleisanlagen werden im Zuge der Neugestaltung der Magirusstraße abgerissen.
Wie erfolgreich das Bemühen OB Wagners, mit der Ausweisung neuer Siedlungsgebiete im Westen der Stadt die Expansion heimischer Betriebe zu ermöglichen, zeigt der Umzug der Eisengiesserei Theodor Hopff von einem beengten Grundstück in der Neustadt an das Westgleis. Hier erhält sie 1907 einen eigenen Gleisanschluß IIe) und kann als Zulieferer von Graugussteilen u.a. für die Pflugfabrik Eberhardt und andere Großbetriebe bis 1985 bestehen.
Der Nebenanschluß IIf) entstand in der Folge des Neubaus der Ulmer Brauerei Genossenschaft UBG. Die Brauereigebäude wurden von dem renomierten Frankfurter Bauunternehmen Buchheim & Heister errichtet, das gegenüber dem Neubau Baumaterial lagern und per Bahn anliefern lassen wollte. Um die Anschlußweiche unterzubringen und das Ende des Industriegleis auch weiter als Freiladegleis nutzen zu können musste das Stammgleis II um 15 Meter verlängert werden.
Die Ulmer Niederlassung von Buchheim & Heister wird 1934 vom linientreuen Regierungsbaumeister W. Kugler übernommen und als dessen eigenes Bauunternehmen weiter geführt. Da Kugler aber die für den Betrieb erforderliche Zahl an Wagenladungen nicht erreicht wird der Anschluß 1937 aufgegeben.
Anschluß | Anschrift | Jahr | Inhaber |
---|---|---|---|
II a) | Werkhof Vogel | 1936 - 1974 | Richard Vogel, Bauunternehmen |
II b) | Magirusstraße 33 | 1907 – 1953 ⋯⋯⋯ 1953 – 1965 | Otto Dopfer,
Kolonialwaren ⋯⋯⋯ Seeberger, Lebensmittel-Import |
Magirusstraße 35 | 1908 – 1919 ⋯⋯⋯ 1919 – 1969 | E.F. Bühler, Getreidehandlung ⋯⋯⋯ Speiser KG, Landmaschinen | |
II c) | Magirusstrasse 41 | 1907 – 1910 ⋯⋯⋯ 1910 – 1939 ⋯⋯⋯ 1939 – 1959 | Reh & Cie, Asphalthandel ⋯⋯⋯ Nathan Strauß, Metallschmelzwerk ⋯⋯⋯ Neubronner & Sellin, Schrottverwertung |
II d) | Magirusstrasse 39 | 1917 – 1937 ⋯⋯⋯ 1937 – 1962 | Mattes & Würtz,
Fahrzeugbau ⋯⋯⋯ Karl Kässbohrer, Fahrzeugbau |
II e) | Magirusstrasse 45 – 47 | 1907 – 1985 | Th. Hopff, Eisengießerei Ulm |
II f) | Magirusstraße 49 | 1907 – 1934 ⋯⋯⋯ 1934 – 1937 | Buchheim & Heister,
Beton- und Eisenbau ⋯⋯⋯ W. Kugler, Bauunternehmen |